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18.03.2021

Ein anderer Blick auf Eisenhüttenstadt:
Bachelor-Studenten entdecken die Stadt

Eisenhüttenstadt. Im Modul „Ästhetik und Forschung“ können Studierende in künstlerisch orientierten Bachelorstudiengängen an der Berlin School of Design and Communication der SRH Berlin University of Applied Science in interdisziplinären Lern- und Forschungsteams eine oder mehrere zusammenhängende Forschungsfragestellung(en) zu einem vorgegebenen Thema definieren und eine kombinierte Forschungsmethodik entwickeln. Dazu besuchten runde 30 Studierende im Rahmen eines Kooperationsprojektes Eisenhüttenstadt. Ziel dieses Projektes ist es Fragen im Zusammenhang mit der Stadt Eisenhüttenstadt zu entwickeln und mit künstlerisch-gestalterischen Mitteln zu beantworten.

Der Modulverantwortliche, Professor Gilbert Beronneau, gibt  Fachbereichsleiterin Martina Harz Auskunft zum Projekt:

Herr Professor Beronneau, wieso ist Ihre Wahl für das Projekt auf Eisenhüttenstadt gefallen?

Die Stadt und ihre Entwicklung bieten aus meiner Sicht einen spannenden Anreiz zum sozialen Design von Stadtentwicklung an sich mit Methoden künstlerischer und qualitativer Forschung zu forschen.
Ich bin sicher, dass dies auch für die Studierenden interessant ist und zu spannenden Erkenntnissen führen wird.
Dabei sind die verschiedenen Perspektiven, Prägungen, Gefühls-, Macht- und Wissensschichten der Stadt und ihrer Bewohner*innen zunächst wahrzunehmen und zu befragen um in einem nächsten Schritt künstlerisch-gestaltend zu reagieren.
Wir gehen dabei vom Konzept des Stadtraums aus und konzentrieren uns auf einzelne Objekte (ehemalige oder bestehende Ladenlokale, Häuser, Kunst im Raum, das Stahlwerk) wie auf den Stadtraum als solchen. Ziel ist es auch, gezielt mit der Bevölkerung und den Verantwortlichen der Stadt ins Gespräch zu kommen, um Erkenntnisse von Experten und Expertinnen zu generieren. Diese Erkenntnisse sollen in künstlerischer Form verarbeitet, präsentiert und dokumentiert werden.

Sie haben ja bereits eine Verbindung zur Stadt und waren hier tätig. Was ist Ihnen bei Ihrem erneuten Besuch besonders aufgefallen?

Ja, ich habe im Jahr 2005 den von mir geschriebenen Spielfilm „Lunik“ in Eisenhüttenstadt gedreht. Im Rahmen der Produktion von „Lunik“ habe ich die Stadt kennengelernt. Ich war sehr gespannt zu sehen, was sich seither verändert hat. Und ich muss sagen: Vieles hat sich verändert. Ich habe viel Positives wahrgenommen, heute anders als damals.
Das Denkmalensemble und die Stadtkulisse sehen freundlicher, moderner und doch wiedererkennbar aus. Die Menschen in dieser Stadt sind aufgeschlossen und vermitteln eine positive Identifikation mit ihrer Stadt.
Dies war auch damals schon so aber ich habe heute das Gefühl, dass die schwierigen Jahre der Neuorientierung hinter der Stadt liegen und ein Neustart gewagt wurde. Damals mussten die Stadt und ihre Einwohner*innen mit vielen Umwälzungen umgehen. Ich war beispielsweise Zeuge vom Rückbau von Wohnbauten aus den 70er Jahren an der Peripherie der Stadt.
Wir haben dort gedreht, wo der Beton zerkleinert und abtransportiert wurde. Das war schon eine sehr emotionale Zeit, in die wir damals als Filmcrew von rund 50 Mitwirkenden hineingeraten sind. Und wir wurden sehr positiv aufgenommen. Viele Menschen dachten, dass das Hotel Lunik nun wieder aufsperren würde. Das hat uns sehr berührt.

Wie motiviert und interessiert sind Ihre Studierenden an diesem Kooperationsprojekt?

Die Motivation und das Interesse bei den jungen Menschen sind hoch und ich war sehr erfreut über die hohe Anzahl der Teilnehmenden an unserer Exkursionsfahrt nach Eisenhüttenstadt.
Bereits in der offiziellen Begrüßung durch den Bürgermeister, Herrn Balzer, spiegelten die Fragen der Studierenden dieses Interesse deutlich wider.
Die Teilnehmer haben sich im Rahmen der Rundgänge durch die Bereiche der Stadt und in Gesprächen mit den Bewohnern das erschlossen, was ein Leben in Eisenhüttenstadt ausmachen kann.
Natürlich sind das nur kleine Eindrücke eines sehr kalten Märztages aber für uns werden sie zu einer von mehreren Grundlagen, um dann in weiterer Folge gestalten zu können: Design, interaktive Lösungen oder Kommunikation im Raum beispielsweise. Dabei wird herausfordernd sein, wie die jungen Menschen künstlerisch-gestalterischen Mitteln Zukunftsthemen der Stadt reflektieren und umsetzen. Eine spannende Einsicht wurde mir bereits bei der Rückfahrt kommuniziert: Die Stadt war von Anfang an ein Musterbeispiel und damit irgendwo privilegiert. Nun strebt sie vielleicht unbewusst zu diesem „Gründungsmythos“ und möchte wieder „gesehen“ werden. Dabei können wir als Experten in Sachen Kommunikation vielleicht mit unseren Lösungen behilflich sein. Vor allem wird spannend sein, welche Vorstellungen und Visionen zur Zukunft der Stadt die Studierenden in ihren Ergebnissen präsentieren werden.

Wird es eine Präsentation der Arbeiten der Studierenden geben?

Wir haben dazu bereits ein Zeitfenster für unsere Zwischenpräsentation mit Verantwortlichen der Stadt definiert. Aus meiner Sicht ist die Präsentation schon deshalb erforderlich, da wir uns nochmals ein Feedback aus der Stadt erhoffen und dies natürlich den Mehrwert darstellt, den sich die Studierenden aus einem Kooperationsprojekt erhoffen. Das Modul hat ein Fortsetzungsmodul im Sommersemester 2022, wo die gleichen Studierenden an der Umsetzung von Forschungserkenntnissen in die Praxis arbeiten können. Im besten Fall konkretisieren sich eines Tages unsere Ideen als reale Lösungsansätze im Sinn einer Entwicklung der Stadt Eisenhüttenstadt hin zu einer „Zukunftsstadt“. Denn das war einst der Gedanke bei der Gründung, den wir heute, 70 Jahre später, gerne aufgreifen und als zentrales Thema in unsere Konzeptionsphase integrieren werden.